Bericht zur Veranstaltung „Stadtplanung der Zukunft – feministisch und inklusiv“

von Kyra Schneider
Was braucht es für Städte, in denen sich alle Menschen wohl und sicher fühlen und keine Barrieren die Teilhabe erschweren? Welche Wege zu einer „Stadt für alle“ gibt es? Diesen Fragen wurde aus feministischer Sicht auf der Online-Veranstaltung „Stadtplanung der Zukunft – feministisch und inklusiv“, organisiert von der ASF (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen) der SPD, am 20. Juni 2022 nachgegangen.
Die Landschaftsarchitektin und Humangeografin Mary Dellenbaugh-Losse erläuterte in ihrem Vortrag, was gendergerechte Stadtplanung bedeutet und illustrierte dies anhand ein paar Beispielen aus Wien, Barcelona und Umeå (vgl. Gender Euqal Cities Report). In der Planung und Umsetzung gelte immer noch viel zu oft unhinterfragt eine „Männerperspektive“ (aktuelles Beispiel: City-Toiletten in Berlin, auf denen die Pissoirs zwar kostenfrei sind, die Sitzklos aber 50 Cent kosten): Frauen seien zum einen in den Daten unsichtbar (vgl. Criado-Perez), zum anderen seien Architektur- und Planungsberufe nach wie vor „Männerdomänen“.

 

Auch existierende Beteiligungsformate würden unterschiedliche Lebensrealitäten, wie z.B. Care-Verantwortung, zu wenig berücksichtigen und damit bestimmte Menschen an der Teilnahme von Gestaltungsprozessen ausschließen. Gender Mainstreaming in der Stadtplanung betrifft alle Bereiche und hat zahlreiche Dimensionen: in der Planung von öffentlichen und Freizeiträumen (für mehr Aufenthaltsqualität für alle und unterschiedliche Nutzungsverhalten), im Bereich der Mobilität (nachhaltigere Bewegungsmittel, was „weiblichem“ Mobilitätsverhalten entspricht), in der Repräsentation (bei Straßennamen, und zwar nicht nur bei kleinen peripheren Straßen in Neubaugebieten), im Bereich von Smart City Konzepten (auf Basis welcher Datenlage werden Algorithmen erstellt?), bei der Frage nach der sozialverträglichen Wohnraumversorgung (Stichwort Gender Pay Gap, Gender Pension Gap) etc.
Als zweite Rednerin stellte die Bürgermeisterin Christiane Küchenhof die Versuche ihrer Stadt Schenefeld vor, inklusiver zu werden. So soll in der (quasi nicht existenten) Innenstadt ein Bürgerzentrum entstehen, an dem alle kommunalen Dienstleistungen vom Standesamt zur Bibliothek zu finden sind und der sich durch gute Aufenthaltsqualität und Freiräume für Kunst und Kultur auszeichnen soll. Als Kleinstadt mit 20.000 Einwohner*innen direkt an der Stadtgrenze zu Hamburg und an Naturschutzgebieten gelegen, stellt die inklusive Umgestaltung die Stadt dabei vor besondere Herausforderungen: viel Platz für Stadterweiterungen gibt es nicht, und die Beantragung von Fördermitteln – vor allem von „Bürokratiemonstern“ wie EU-Fördermitteln – sei für viele Kleinstädte aufgrund ihrer entsprechend kleinen Verwaltung schwierig.

 

Die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz, ergänzte die Runde mit ihrer bundespolitischen Perspektive. Genderaspekte sollten bei der Stadtentwicklung, der politischen Repräsentation und bei Fragen des Gender-Budgeting (also: wohin fließt wieviel Geld?) berücksichtigt werden. Für das Bundesministerium sei gerade die zukünftige Entwicklung der Innenstädte, angesichts des Trends des Rückzugs des Einzelhandels aus diesen, von Bedeutung. Vielleicht läge die Zukunft der Innenstädte in Ansätzen der „Sharing Economy“ (Teilen statt Kaufen reduziere ja auch den benötigten Wohnraum) und des „Rechts auf Reparatur“ (im Sinne einer nachhaltigen zirkulären Ökonomie). Ein weiterer wichtiger Aspekt sei es, konsumfreie Aufenthaltsorte zu schaffen, um Teilhabe für alle zu ermöglichen.

 

Auf die Publikumsfrage, was nötig sei, um Genderaspekte auch tatsächlich umzusetzen, gab es unterschiedliche Antworten: Christiane Küchenhof appellierte an die Politik, Förderprogramme mit weniger Bürokratie zu versehen, um die Antragshürden auch für kleine Verwaltungen zu senken; Klara Geywitz betonte, dass Quoten notwendig seien, um die „gläserne Decke“ vor Entscheidungspositionen zu brechen; und Mary Dellenbaugh-Losse schilderte aus dem Bereich der ​Architektur- und Planungsberufe, wie die dort herrschende Wettbewerbsmentalität der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenstünde, und der sich dadurch aufmachende Gender-Gap auch in der Vergabepraxis niederschlage.
Eine Kritik aus dem Publikum hinterfragte die Gleichsetzung von „feministisch“ mit „inklusiv“: das Argument „Was den Frauen hilft, hilft allen“ greife eventuell zu kurz und man müsse trotzdem explizit auch über Inklusion sprechen. Tatsächlich schien das Thema Inklusion eher nur am Rande auf. Eine stärkere intersektionale Perspektive wäre hier wünschenswert gewesen. Trotzdem geben feministische Perspektiven auf Stadtplanung Anregungen dazu, bestimmte „Normalitäten“ aufzubrechen und zu fragen: Wer nutzt die Stadt wie? Was wird – oftmals unreflektiert und implizit – als Norm gesetzt? Und was braucht es, um jenseits dieser vermeintlichen Norm, allen Nutzer*innen-Verhalten und Bedarfen entgegenzukommen? Alles in allem war die Veranstaltung sehr aufschlussreich und machte greifbarer, was „feministische Stadtplanung“ eigentlich bedeutet, und für welche anderen Problemfelder (z.B. Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Inklusion) eine feministische Perspektive anschlussfähig ist.