Tagungsbericht zur Rückkoppelungsveranstaltung „Kollektives Wohnen und Sorgen – (k)eine Frage von Geschlecht?“
„Kollektives Wohnen und Sorgen – (k)eine Frage von Geschlecht? – kommunalpolitische Perspektiven aus dem Forschungsprojekt WellCare“
Am 02.12.2022 fand im Rahmen eines Online-Formats die Rückkoppelungsveranstaltung des WellCare Teilprojekts der OTH Regensburg statt. Wissenschaftlerinnen der OTH Regenburg bilden zusammen mit der Frauenakademie München den Forschungsverbund WellCare im Projekt „Gutes Leben – Gutes Care: Innovative Sorgestrukturen und konkrete Praxis sozialräumlich verankern“.
Das Forschungsprojekt WellCare
Das Teilprojekt „Sozialräumliche Care-Versorgung im politischen Diskurs. Akteure, Debatten und Teilhabeprozesse in der Kommune“ der OTH Regensburg untersuchte dabei insbesondere Politikprozesse in drei Fallkommunen in Deutschland im groß- und klein-städtischen Raum bzw. großstädtischen Umland. Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen qualitativer Fallstudien anhand online geführter Expert*innen-Interviews und Gruppendiskussionen in Präsenz.
In der Rückkoppelungsveranstaltung wurden erste Ergebnisse vorgestellt und die Gelegenheit zu Diskussion und Austausch mit den Forscher*innen und Teilnehmer*innen im Projekt gegeben. Insbesondere folgenden Fragen wurden behandelt: Welche – impliziten und expliziten – Geschlechtervorstellungen liegen Konzepten, Aushandlungs- und Steuerungsprozessen um gemeinschaftliches Wohnen zugrunde? Inwiefern bieten diese Prozesse Gelegenheiten zur sozialen Teilhabe und politischen Partizipation und werden dabei „neue“ Vorstellungen der Care-Versorgung thematisiert? Wie unterscheiden sich die Erfahrungen in den einzelnen Fallkommunen? Und wie könnte eine geschlechtergerechte Stadtplanung und Wohnpolitik aussehen? Außerdem hielt Humangeografin Frau Dr. Mary Dellenbaugh-Losse einen Vortrag zu geschlechtergerechter Stadtplanung.
Erstes Zwischen-Resümee aus dem Projekt
Die Entstehungsprozesse für gemeinschaftliche Wohnprojekte bieten Möglichkeitsräume für:
- Auseinandersetzungen mit einer geschlechtergerechten Sorgekultur (kein Automatismus) und für Partizipation, Teilhabe und Aushandlungsprozesse in der Kommune.
- Mit dem Thema gemeinschaftliches Wohnen werden auch Fragen der Solidarität neu gestellt und „Fürsorge“/Care diskursiv mit „Wohnen“ verknüpft. Neue Akteure, die auch Care-Perspektiven miteinbringen, werden in den Diskussionen um Wohnen hörbar. So bietet sich die Gelegenheit, Care neu zu denken und Genderperspektiven stärker einzubringen.
Vortrag von Dr. Dellenbaugh-Losse zu geschlechtergerechter Stadtplanung
Der Vortrag zeigte auf, wie die historisch gewachsenen und symbolisch in die gebaute Umwelt eingeflossenen Zuschreibungen „männlicher“ und „weiblicher“ Räume und Raumnutzungen unsere Städte und damit unseren Alltag prägen. Architektur und Stadtplanung waren und sind oftmals immer noch an „männlichen“ Routinen und Bedarfen orientiert; gerade Care-Aspekte werden dadurch marginalisiert. Zugleich gibt es aber auch erfolgreiche Ansätze, Stadtplanung geschlechtergerechter zu gestalten. Beispiele hierfür wären die Wohnanlagen Frauen-Werk-Stadt I und II sowie das sich in Planung befindliche Sonnwendviertel in Wien oder das Konzept der „15-Minuten Stadt“.
Diskussionen in den Breakout-Räumen
Der 1. Breakout-Raum von Clarissa Rudolph beschäftigte sich mit der Geschlechterperspektive und der Frage wie diese stärker in Diskurse um gemeinschaftliche Wohnformen integriert werden kann. Es wurde herausgearbeitet, dass die Kooperation von kommunalen Akteuren, die sich mit geschlechterbezogenen Themen auseinandersetzen, stärker angeregt werden muss. Dass Care-Arbeit zunehmend ehrenamtlich geleistet werden soll, wurde kritisch gesehen.
Im 2. Breakout-Raum behandelte Nina Vischer die Frage, wie Partizipation auf Augenhöhe realisiert werden kann. Hier wurde deutlich, dass Erfahrungen mit Partizipationsprozessen sowohl in Wohnprojekten als auch im weiteren kommunalen Kontext besser sichtbar werden müssten, um voneinander lernen zu können.
Kyra Schneider ging im 3. Breakout-Raum auf den Sozialraum und der Frage, wie mehr Gemeinschaft in diesem gestiftet werden kann, ein. Dabei wurde erkannt, dass es in den Kommunen bereits zahlreiche gute Beispiele gibt, wie mehr Nachbarschaft angeregt werden kann. Vor allem niedrigschwellige und dauerhafte, also professionell organisierte Angebote seien hier wichtig – nicht nur ehrenamtliches Engagement.
Zusammenfassung und Ausblick
Insbesondere Themen wie Mobilität und Wohnen beinhalten viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Es bleibt die Frage, wie Care und Geschlechtergerechtigkeit über Mobilität, Stadtplanung sowie gemeinschaftliches Wohnen in Kommunen eingebracht werden kann. Ebenso stellen kollektive Wohnformen noch immer Nischenthemen dar, wobei Fragen, die für diese Wohnformen gelten, auch auf Familien übertragen werden können, z.B. wie Care verteilt werden kann. Gemeinschaftliche Wohnformen können somit Ausgangspunkt für neue Diskussionen zu Care und Geschlechtergerechtigkeit – in allen Formen des Zusammenlebens – sein.